„Hier wird Geschichte geschrieben.“
Die Geschichte des kaufmännischen Schulwesens in Kirchheim unter Teck
Die Anfänge
Am Anfang des kaufmännischen Ausbildungswesens in Kirchheim stand die Privatinitiative des Kolonialwarenhändlers, Zigarrenherstellers und Großhändlers 0. Waiblinger, der zwei jungen Leuten „von der Handlung“ eine Ausbildung in einer Anzeige im 1832 gegründeten damaligen „Kirchheimer Amts- und Intelligenzblatt“ anbot. Darüber hinaus offerierte er auch allgemeine kaufmännische Kurse. Zusammen mit seinem Kompagnon A. Közle gründete er 1862 eine private Handelsschule. In diese trat an Stelle Waiblingers 1869 Louis Aheimer ein. Diese Schule wurde später von der Marktstraße in die heutige Max-Eyth-Straße, dort vom Schenkschen Haus ins Stiftshaus, verlegt. 1877 übernahm Aheimer das Institut alleine als Internat, erweiterte es 1891 zur Realschule mit „Einjährigem-Examen“ als Abschluß. 1904 konnte das Institut dann einen Neubau an der Stuttgarter Straße beziehen, in dem die Aheimersche Privathandelsschule noch bis 1921 untergebracht war. Daneben bemühten sich ab 1889 der Kaufmännische Verein Merkur sowie der Gabelsbergsche Stenographenverein und der Deutschnationale Handlungsgehilfen Verband um die kaufmännische Ausbildung und die Lehrlingsprüfungungen.
Nach dem Württembergischen Gesetz für die Gewerbe- und Handelsschulen von 1906 wurde den Gemeinden die Errichtung solcher Schulen als Pflichtschulen übertragen. Die Stadt Kirchheim eröffnete danach 1910 eine Gewerbeschule mit angeschlossener Handelsabteilung. 1912 wurde diese als Städtische Handelsschule selbständig. Nach mehrfacher Verlegung war sie ab 1924/25 im ehemaligen Spital – der späteren Präparandenanstalt (Lehrerbildungsanstalt) und dem heutigen Sitz derVolkshochschule-bis 1970 untergebracht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg führten geburtenstarke Jahrgänge und der Zuzug von Heimatvertriebenen anfangs zu raschem Schülerzuwachs und Raumnot, die bis in die 80er Jahre anhielt. Im Jahr 1950/51 übernahm der damalige Kreis Nürtingen die Schulträgerschaft für die beruflichen Schulen. Der seit 1924, zum Schluß als Leiter, tätige Dr. Schilling wechselt nach Esslingen. Ihm folgte 1953 Dr. Hermann Sanne, der das Schulleiteramt bis November 1966 bekleidete. 1955 errichtete der Kreis an der Bosch-/ Ecke Henriettenstraße einen Neubau, in dem die kaufmännischen Vollzeitschulen den obersten Stock erhielten, während die kaufmännische Berufsschule in der Präparandenanstalt verblieb. Im selben Jahr wurde das Berufsfachschulwesen neu geordnet durch Unterteilung in die Handelsschule, die spätere Wirtschaftsschule, und die Höhere Handelsschule, die mit der Fachschulreife abschloß und den Übergang auf die Wirtschaftsoberschule, dem heutigen Wirtschaftsgymnasium, ermöglichte.
1970 bis heute
Ab 1968 lenkte Günther Schnürch die Geschicke der Schule nach kommissarischer Leitung durch Hannes Schmiedel, der bis April 1978 stellvertretender Schulleiter war. 1970/71 wurde ein Erweiterungsbau an der Henriettenstraße eingeweiht, der vorübergehend die kaufmännischen Schulen aufnahm, später das Technische Gymnasium der Max-Eyth-Schule. 1972 konnten ein weiterer Anbau an der Boschstraße sowie die Kreissporthalle bezogen werden, so daß bereits 1971 das Wirtschaftsgymnasium eingerichtet werden konnte. 1978/79 entstand aus der einjährigen Höheren Handelsschule (Oberstufe) das zweijährige Kaufmännische Berufskolleg, das in unterschiedlicher Ausrichtung zur Fachhochschulreife führt. 1979 folgte die Einführung der zweijährigen Berufsfachschule für Bürotechnik.
Der vierte Bauabschnitt erweiterte den Anbau an der Boschstraße und brachte einen neuen Eingangsbereich, die Einrichtung einer gemeinsamen Schulbibliothek für die Jakob-Friedrich-Schöllkopf und die Max-Eyth-Schule sowie eine Cafeteria. Anfang der 80er Jahre wurde der Unterricht in Datenverarbeitung eingeführt und kontinuierlich ausgebaut. Seit Juli 1989 leitet Oberstudiendirektor Norbert Häuser die Schule. 1991 nahm der Förderverein seine Arbeit auf und die Schule erhielt ihren jetzigen Namen „Jakob-Friedrich-Schöllkopf Schule“. 1998 wurde der Schule die Aufgabe übertragen, eine Fachklasse für den neuen Ausbildungsberuf „Automobilkaufmann/-kauffrau“ aufzubauen.
Ausblick
Das berufliche Schulwesen ist seit jeher mit der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung verbunden. Die Gründung der Privaten Handelsschule ist nur vor dem Hintergrund der „Industriellen Revolution“ zu verstehen, die neue Anforderungen an Beruf und Ausbildung gerade im kaufmännischen Bereich stellte. Ebenso spiegelt die derzeitige Situation der Schule die gesellschaftliche Lage in den 90er Jahren wieder. Einerseits ist sie durch eine abnehmende Zahl an Berufsschülern charakterisiert, andererseits versuchen immer mehr Schüler, sich über ihren ursprünglich erreichten Abschluß – meist Hauptschulabschluß oder Mittlere Reife- hinaus weiterzuqualifizieren, um ihre Chancen auf die knapper gewordenen Lehrstellen zu verbessern.
Auf diese veränderten Rahmenbedingungen muß sich die Schule im pädagogischen Bereich einstellen. In diesem Zusammenhang steht vor allem die Aktualisierung der Lehrpläne in fast allen Schularten, die Einführung neuer Unterrichtsformen sowie die Umsetzung neuer Berufsbilder im Berufsschulbereich im Vordergrund. Die Durchführung berufsorientierter Projekte, das handlungsorientierte Lernen sowie die Erweiterung der Fremdsprachenkompetenz – unterstützt durch die internationalen Kontakte unserer Schule – sollen zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen führen, die wiederum Voraussetzung für einen erfolgreichen Weg in den Beruf sind.
Die neuen Anforderungen werden konsequent in Fächern wie „Global Studies“, Wirtschaftsinformatik oder Internationale Wirtschaft im Wirtschaftsgymnasiums umgesetzt. Im Berufskolleg wird in der Übungsfirma und der Juniorfirma ein moderner, handlungsorientierter Unterricht vorangetrieben. In der Wirtschaftsschule werden neue pädagogische Konzepte erprobt und mit Fächern wie „Ich und Wir“ neue Maßstäbe gesetzt. In der Berufsschule setzt sich zunehmend ein lernfeldorientierter Unterricht durch.